#CoronaSchule – Und was machen wir ab Januar?

Das Aussetzen der Präsenzpflicht in den Schulen kurz vor den Weihnachtsferien war wohl eher eine aus der Not geborene Kurzschlussreaktion. Bereits Wochen vorher haben Eltern, Lehrkräfte aber auch Politikerinnen und Politiker gefragt, ob es nicht sinnvoll wäre, die Weihnachtsferien eher zu beginnen. Damals wollte das Ministerium nicht. Jetzt kam alles wieder kurz vor Toresschluss – quasi #holterdiepolter.

Nun wäre es wichtig, die noch verbleibenden Tage zu nutzen, um klar zu kommunizieren, wie es nach den Ferien weitergeht. Nicht unbegründet, befürchten bereits heute Eltern, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler, dass die Schulen nach den Weihnachtsferien geschlossen bleiben. Die in Verantwortung stehenden Personen tun also gut daran, schnell Klarheit zu schaffen.

Was würden Sie tun? – Ein Experiment

Ich nutze die Situation, mich selbst zu fragen: Wie würde ich es denn machen? Und ich lade Dich und Sie ein, sich an dem Gedankenexperiment zu beteiligen. Die Kommentarspalten sind geöffnet: Wie würdest Du, wie würden Sie mit den Schulen und Kindergärten nach den Weihnachtsferien umgehen?

Mein Vorschlag für die Kindergärten

Ich würde ab dem 3. Januar 2022 ganz viele kleine Kindergärten schaffen. Unabhängig von den üblichen Auflagen für Kindergärten öffne ich alle Räume, in denen Kinder verschiedener Altersgruppen miteinander spielen können. Bürgerhäuser, Gemeindenzentren, Räume von Sportvereinen, Dorfbibliotheken – überall können Kinder in kleineren Gruppen zusammenkommen und betreut werden.

Was soll das bringen? In erster Linie sorge ich dafür, dass die Kinder nicht durch die Gegend gefahren werden müssen. Sie bleiben im Heimatort oder zumindest so gut es geht in nachbarschaftlicher Nähe. Damit wird die Gruppe auch klar auf den lokalen Einzugsbereich begrenzt. Da, wo bereits Kindergärten sind, werden diese natürlich auch einbezogen, besonders für die ganz Kleinen.

Und wo sollen die ganzen Erzieher herkommen? Aus den Kindergärten im Umfeld wird das Personal so gut es geht an andere Orte verteilt. Das wird sicher nicht reichen, aber zumindest auf den Stellen mit leitender Verantwortung sollten immer Fachkräfte eingesetzt werden. Darüber hinaus bin ich dafür, dass wir in dieser herausfordernden Zeit einfach alle etwas enger zusammenrücken. Jeder und jede, die Lust, Zeit aber auch ein Händchen für Kinder hat, kann eingespannt werden. Vor Ort lässt sich das meist viel einfacher koordinieren. Ein Erzieher in Rente oder die Trainerin vom Sportverein können genauso unterstützen wie Mütter, die sonst eh mit den Kindern zu Hause wären. Warum soll das nicht gehen?

Mein Vorschlag für die Grundschulkinder und Kinder aus den Klassen 5 und 6

Genauso würde ich mit den Schulkindern aus den Klassen 1-6 umgehen. Auch sie sollen jahrgangsübergreifend möglichst heimatnah pädagogisch sinnvoll betreut werden. Der Fokus sollte auf Lesen, Rechnen, Schreiben sowie auf Naturkunde und Bewegung gelegt sein. Sie sollen vor Ort im Bürgerhaus oder auch im Saal eines Gasthofes klassenübergreifend in den Kernfächern unterrichtet werden. Das mag für den einen oder die andere an alte Volksschulkonzepte erinnern. Aber ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Ich vertraue hier den Pädagoginnen und Pädagogen, dass sie ein Lernumfeld schaffen, von dem alle profitieren. Es könnten sogar unterschiedliche Themenkurse organisiert werden, aus denen die Kinder wählen können. Wichtig ist vor allem, dass viele Bewegungsangebote auch an der frischen Luft dabei sind. Vielleicht bietet auch die Freiwillige Feuerwehr im Ort einen Kurs an.

Für diese Gruppe überlege ich noch, ob man sie erst ab der Kalenderwoche 2 wieder zusammenholt. Und die erste Woche noch für Organisatorisches und Raumvorbereitung nutzt. Dann hätte man in der ersten Kalenderwoche erstmal nur Notbetreuung für Kinder, deren Eltern in infrastrukturrelevanten Berufen arbeiten. Das hieße aber auch, dass diese dann schon mal in der Grundschule oder weiterführenden Schule wären und danach möglicherweise an die anderen Ort wechseln müssten. Die Entscheidung hinge hier davon ab, wieviel Vorbereitungszeit die Schulen und Gemeinden bräuchten.

Und die Lehrkräfte? Ich habe die Hoffnung, dass durch das Klassenübergreifende, die Module mit Themenbezug und der Fokus auf die Kernfächer Kapazitäten im Kollegium frei werden, die eine solche Aufteilung der Kinder überhaupt ermöglicht. Vor allem aber sind hier diejenigen gefragt, die zum Beispiel aktuell in der Jugendhilfe engagiert sind. Diejenigen, die sonst am Nachmittag Nachhilfe geben oder pädagogische Ferienfreizeiten anbieten, können in dieser schwierigen Zeit auch direkt im Schulkontext helfen.

Und die Großen – ab Klasse 7?

Für diese Gruppe der Schülerinnen und Schüler würde ich in der 2. Kalenderwoche mit virtuellen Themenkursen anfangen. Ich bin ja immer noch der Auffassung, dass das Thüringer Institut für Lehrerbildung, Lehrplanentwicklung und Medien schon in den vergangenen Jahren hätte Lernvideos oder Erklärvideos für verschiedene Unterrichtsthemen hätte entwickeln  müssen. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender verfügen über durchaus verwendbares Material.

Ab der Kalenderwoche 3 würde dann der Wechselunterricht starten. Hierbei gibt es drei Modelle, die ich besonders spannend finde. Schulen sollten auswählen können, welche sie umsetzen wollen. Das hat viel mit der Schülerstruktur, dem Lehrerkollegium oder auch den räumlichen Möglichkeiten vor Ort zu tun. Mehr als 12-15 Schüler sollten nicht zusammen in einer Klasse sitzen. An manchen Schulen sind die Klassen auch nicht größer, dann kann normaler Unterricht gemacht werden. An anderen sieht es anders aus.

Für Lehrkräfte heißt das, zwei Gruppen jeweils mit den gleichen Inhalten zu versorgen. Die Gruppen kann man entweder nach lokaler Verortung oder nach Anspruchsebene unterteilen.

An welches Wechselmodell ich denke? Es gäbe die Varianten des wöchentlichen Wechselmodells. Die eine Gruppe kommt in Woche A in die Schule, die andere in Woche B. Das ist für einige Schulen systematisch einfach umzusetzen, weil sie eh schon A- und B-Wochen in den Stundenplänen haben.

Es gibt aber auch das Modell, bei dem die Gruppen Tag für Tag wechseln. Hier würde der Unterricht über den Tag länger gehen, dafür können die Schülerinnen und Schüler am nächsten Tag zu Hause das Gelernte nachbereiten.

Eine dritte Variante wäre ein Wechsel von Vormittag und Nachmittag. Das hätte den Vorteil, dass die Kinder jeweils einmal am Tag in der Schule sind und es muss kein zusätzlicher Distanzunterricht organisiert werden. Die Tage werden aber für die Lehrkräfte länger.

Und die Abschlussklassen?

Die Abschlussklassen sollten im besten Falle „normal“ unterrichtet werden. Wenn die Klassen oder Kurse zu groß sind, müssen sie möglichst in zwei Kurse unterteilt werden. Für den Lehrkräfteeinsatz würde ich den Bedarf der Abschlussklassen priorisieren, bevor ich für die anderen Klassen Lehrkräfte einsetze.

Allerdings sehe ich bei der Prüfungsvorbereitung in den Abschlussklassen auch viel Potenzial für eigenständiges Arbeiten in Verbindung mit Videomaterial. Über virtuelle Konsultationen oder auch Einzelgespräche in Präsenz ließe sich zudem ganz individuell auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Absolventen eingehen.

Außerdem finde ich es wahnsinnig wichtig, dass parallel dazu in Bibliotheken oder Jugendclubs Lernräume für Schülerinnen und Schüler geschaffen werden, die zu Hause kein gutes Lernumfeld haben. Das ist eine Idee, die ich vor über einem Jahr in unserem Positionspapier schon mal genau in dieser Form vorgeschlagen hatte.

Habe ich nicht wen vergessen?

Ja, über Berufsschulen und über Förderschulen haben wir noch nicht gesprochen.

Die Förderschulen werden entsprechend der Anforderungen der Schülerinnen und Schüler, auch was den Infektionsschutz angeht, eigene Konzepte haben. Diese sollten sie auch weiterführen dürfen. Da gehe ich jetzt zumindest davon aus, bin aber offen für Anregungen.

Die Berufsschulen orientieren sich für den allgemeinbildenden Teil an den Rahmenbedingungen für die allgemeinbildenden Schulen ab Klasse 7. Für Abschlussklassen gelten die gleichen Regeln wie oben. Was die berufliche Ausbildung angeht, muss man genauer hinschauen. Die schulische berufliche Ausbildung kann auch im Wechselmodell mit angebundenem Distanzunterricht so gut es für den jeweiligen Beruf geht, umgesetzt werden.

Diejenigen, die alle paar Wochen zwischen Unternehmen und Berufsschule wechseln, sollten im besten Falle in einen entsprechenden Digital- und Distanzunterricht gehen. Je nach Ausstattung der Schule kann man diesen auch in den Berufsschulen umsetzen. Hier sollte den Berufsschulen der notwendige Handlungsspielraum gegeben werden, um entsprechende Modelle eigenständig in Rücksprache mit den ausbildenden Unternehmen und den Kammern umzusetzen.

Und wie soll das alles organisiert werden?

Die entscheidende Frage ist tatsächlich, wie setzen wir das jetzt so kurz vor knapp um? Und das ist am Ende auch genau die Frage, die dafür sorgt, dass in den ersten beiden Kalenderwochen noch nicht alle wieder zurück in den Unterricht können, wenn das reicht. So oder so muss aber die Betreuung der Kinder gewährleistet sein. Deswegen schlage ich dieses gestufte Vorgehen vor. Erst die Kindergärten dezentralisieren. Diese Betreuung muss definitiv abgesichert sein, damit u.a. auch die jungen Lehrkräfte frei sind, um Vorbereitungen in den Schulen zu treffen.

In der Woche zwischen Weihnachten und Silvester müssen die Städte und Gemeinden mit den Kindergarten- und Schulträgern klären, welche Räume für Kindergarten- und Grundschulbetreuung genutzt werden könnten und welche Kinder jeweils zugeteilt werden sollten. Es müssen außerdem Akteure der Jugendhilfe aktiviert werden, um in den Kindergärten, Grundschulen und den weiterführenden Schulen bzw. den entsprechenden Ausweichorten zu unterstützen. Darüber hinaus müssen Menschen aus dem jeweiligen Umfeld der Ausweichorte zur Unterstützung aufgerufen werden. Jeder Ausweichort benötigt eine pädagogische Fachkraft als Koordinator.

In der ersten Kalenderwoche 2022 sind dann die Grundschüler und die notwendigen Lehrkräfte entsprechend der zuvor gemachten Erfahrung auf Ausweichorte für das gemeinsame Lernen zu verteilen. Parallel dazu ist der Fokus in der Organisation auf die Schülerinnen und Schüler ab Klassen 7 zu legen. Das jeweils für die Schule tauglichste Wechselmodell muss organisiert werden. Dafür braucht es den Einsatz des gesamten Kollegiums ggf. sogar mit Unterstützung der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler, um tragfähige Konzepte für die jeweilige Schule zu entwickeln.

Fazit

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht alle Rahmenbedingungen ausreichend berücksichtigt habe. Es sind Ideen, die man verfolgen könnte. Sie leben davon, dass sie grundsätzlich davon ausgehen, dass in solch schwierigen Zeiten kein „normaler“ Unterricht möglich ist. Wir sollten uns da ehrlich machen und den Druck auf alle Beteiligte rausnehmen. Wir haben Pandemie – das ist eine Krisensituation. Es ist gutes Ansinnen, dass diese Pandemie den Alltag unserer Kinder möglichst wenig berühren soll. Und ich teile diesen Anspruch. Sie kriegen es aber dennoch mit, vor allem wenn alle um sie herum gestresst sind. Nehmen wir den Druck raus und schaffen wir Räume und Rahmenbedingungen, in denen Kinder sich frei bewegen und auch ein wenig entfalten können. Gerade bei den jüngeren Kindern muss es nicht immer Unterricht nach Lehrplan sein. Vielmehr müssen wir auf die Gegebenheiten reagieren und das bestmögliche aus der Situation machen.

Was meint Ihr? Sind das naive Vorschläge? Was habe ich übersehen? Was ist Eure Idee für pandemiefeste Bildung? Ich freue mich auf Eure Vorschläge.

Eure Franziska Baum