Warum das Beamen von Lehrkräften kein großer Wurf ist

In den Medien wurde vor Kurzem der Vorschlag von Minister Holter diskutiert, einen gesetzlichen Rahmen für digitalen Unterricht zu schaffen. Auslöser ist unter anderem ein Vorschlag der Regierungskoalition zur Änderung des Schulgesetzes. Es soll nun die Möglichkeit geben, Klassen über eine digitale Verbindung im Unterricht zusammenzuschalten. Eine Physikstunde, die sonst ausfallen würde, soll jetzt also durch einen Physiklehrer in einer anderen Schule per virtueller Übertragung übernommen werden.

Unterricht im virtuellen Raum verlangt mehr als eine Kamera

Ich sage es gleich: Es ist total sinnvoll, den rechtlichen Rahmen für Unterricht in und mit dem virtuellen Raum zu schaffen. Dabei handelt es sich aber um mehr als die Überwindung von Entfernungen. Deswegen ist es auch kein großer Wurf, die Übertragung eines Unterrichtsvortrages von der einen Klasse in die andere zu erlauben. Mehr ist es nämlich nicht, als die Übertragung eines Vortrages. Pädagogische Arbeit kann mit zwei Klassen durch eine einzelne Lehrkraft kaum geleistet werden. Warum sollte es anders sein, wenn eine davon mehrere Kilometer entfernt ist? Damit ist der Vorschlag auch erstmal keine Lösung für den Lehrermangel.

Digitalgestützter Unterricht braucht keinen Klassenraum aber Lehrkräfte

Unterricht im virtuellen Raum ersetzt keine Lehrkräfte, sondern fordert sie erst einmal zusätzlich heraus. Denn es geht darum, neue Unterrichtsmethoden unter Einbeziehung digitaler Hilfsmittel und vor allem unter Einbeziehung der digitalen Welt auszuprobieren. Wenn wir von digitalgestütztem Lernen oder von Unterricht im virtuellen Raum sprechen, dann muss es also darum gehen, die Vorteile digitaler Instrumente zu nutzen. Die Überwindung von Entfernung ist sicher ein Vorteil von Digitalität. Aber für den Lernprozess ist ein „gebeamter“ Lehrer auch nicht mehr als ein nicht aufgezeichnetes Video. Dabei können digitale Systeme Lehrerinnen und Lehrer sehr gut im Unterrichtsalltag unterstützen.

Digitalgestützter Unterricht unterstützt individuelle Lernprozesse und ermöglicht darüber hinaus Kollaboration. Dafür muss niemand in einem Klassenraum sitzen. Projektarbeiten gehen auf einmal auch über Klassen- oder Schulgrenzen hinweg. Experten können aus ganz anderen Zusammenhängen in den Unterricht eingebunden werden. Dafür braucht es einen Blick über den Tellerrand. Und vor allem braucht es Lehrkräfte, die den Schülerinnen und Schülern die gemeinsame Erfahrung ermöglichen und auch dafür sorgen, dass trotz individueller Lernerfahrungen die Zusammenarbeit und soziales Lernen nicht zu kurz kommen.

Unterricht muss virtuelle Welt einbeziehen

Es gibt unterschiedliche Konzepte für den Aufbau von Unterricht, der die virtuelle Welt einbezieht. Flipped Classroom zum Beispiel verlagert den Wissenerwerb ins Selbststudium. Im Klassenraum setzen Lehrkräfte und Schüler das Wissen dann nur noch in einen Kontext und vertiefen Themen im Gespräch. Dann gibt es KI-gestützte Lernsysteme, die vor allem Selbstlernphasen unterstützen können. So können Lehrkräfte Leistungsheterogenität in der Klasse auffangen. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler können sich interaktiv mit tiefer gehenden Themen beschäftigen, während andere die Grundlagen in ihrem Tempo wiederholen.

Vor allem aber darf die digitale Welt nicht als Parallelwelt aus Schule ausgeschlossen werden. Sie ist Teil der Lebensrealität. Zwar müssen Schülerinnen und Schüler die Unterschiede zwischen virtueller und manifester Welt begreifen. Erwachsene müssen aber auch begreifen, dass die virtuelle Welt nicht nur für Schülerinnen und Schüler sehr real ist. Es ergibt keinen Sinn, sie am Schultor abzuschalten. Denn die kommenden Schülergenerationen werden mit und durch die virtuelle Welt wirksam sein. Sie sollten dann aber auch in der Lage sein, sie zu gestalten.