#CoronaSchule und digitaler Distanzunterricht – Warum wir jetzt den Grundstein für zeitgemäßes und effektives Lernen legen könnten

#CoronaSchule und digitaler Distanzunterricht – Warum wir jetzt den Grundstein für zeitgemäßes und effektives Lernen legen könnten

Die Erkenntnisse zu digitalem oder hybridem Distanzunterricht sind nicht neu und auch die Ideen nicht. Aber sie sind nach wie vor aktuell  und ich kann sie nur immer wieder wiederholen. Ich halte mich hier nicht für wahnsinnig klug. Viele der Ideen haben auch andere und sicher auch vor mir geäußert. Aber trotzdem kommen wir beim Thema Pandemiebewältigung in der Schule nicht weiter. Und wenn wir so weiter machen, verlieren wir einfach nur Zeit. Ich bin der Überzeugung, dass wir aufhören müssen, hybriden oder digitalen Distanzunterricht als Sondermodell und Notfallplan zu verstehen. Wir müssen anfangen darüber nachzudenken, wie wir lernen zu gestalten, wenn nicht alle an einem Ort sein können – für die Pandemiebewältigung aber auch für die Zukunft unseres Bildungswesens. Denn im hybriden Unterricht, im Blended Learning liegt vor allem Potential, das uns über effektives Lernen nachdenken lassen sollte.

Distanzunterricht – aber richtig!

Wie oft habe ich in den letzten parlamentarischen Debatten oder auch in den Ausschüssen gehört, dass der Distanzunterricht keine Dauerlösung sein kann, dass wir unbedingt Präsenzunterricht brauchen. Das mag stimmen. Aber deswegen dürfen wir nicht versäumen für den Distanzunterricht Grundlagen zu schaffen, die es Lehrkräften und Lernenden ermöglicht, das Beste aus dieser neuen Form des Lernens rauszuholen. Ich kenne nicht ein Unternehmen, dass für die Zeit des Homeoffice nicht grundlegende Fragen geklärt hat, an denen sich Teammitglieder und Mitarbeitende orientieren können. Nur in der Schule haben wir ein Jahr verloren, weil sich nicht darum bemüht werden wollte, Hybridunterricht qualitativ hochwertig anzugehen.

Es wurde keine Weiterbildungsoffensive für die Lehrkräfte gestartet, damit diese zu Hause mit Video-Tutorials sich einen Überblick verschaffen können, wie Bildung zwischen Distanz- und Präsenzunterricht funktionieren kann. Stattdessen mussten engagierte Lehrerinnen und Lehrer sich rechtfertigen und datenschutzrechtliche Verantwortung übernehmen, die bis heute nicht einmal wirklich in der Schulgesetzgebung geklärt ist.

Aber was hätten wir denn verloren? Selbst wenn wir für den Distanzunterricht, auch wenn er nur eine Ausnahme sein soll, gesetzliche und regulatorische Grundlagen schaffen. Was verlieren wir denn? Zeit? Die haben wir jetzt auch verloren und haben nicht mal was gewonnen dabei. Es ist bewiesen, dass all jene Schulen weniger Schwierigkeiten beim Lockdown hatten, die bereits vor Corona mit Lernmanagementsystemen und in kleinen Gruppen mit flexibler Methodik gearbeitet haben. Und das hat nur zweitrangig etwas mit Ausstattung zu tun. Diese Schulen waren einfach im Denken einen Schritt voraus. Hier konnte man sich vorstellen, das Lernen auch anders funktionieren kann.

Genau darum muss es gehen. Das Lernen der Schülerinnen und Schüler muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Und dieses Lernen kann auf so unterschiedliche Weise geschehen. Es braucht dafür keinen Frontalunterricht, es braucht dafür keinen Klassenraum und es braucht dafür nicht dauerhaft 29 Klassenkameraden gleichzeitig.

Betreutes Lernen kann man organisieren

Es braucht Betreuung, und es braucht den Austausch mit Gleichaltrigen. Aber beides kann auch anders organisiert sein. Mehrfach habe ich darauf hingewiesen, dass wir dezentrale Lernorte schaffen müssen, zum Beispiel in leerstehenden Bürgerhäusern betreut durch die Mitarbeitenden der Jugendsozialarbeit. Hier können Kinder und Jugendliche, die keine Lernatmosphäre zu Hause haben, einen Zufluchtsort in ihrer Nähe finden. Statt die Kommunen auf eine Umsetzung zu drängen und Unterstützung anzubieten, hat sich die Landesregierung darauf beschränkt, die Zuständigkeit festzustellen.

Ich bin nicht die einzige mit diesen Forderungen. Gerade erst habe ich begeistert den Gastkommentar von Marina Weisband bei News4Teachers gelesen. Und auch sie weist darauf hin, dass wir mit dezentralem Lernen und den Optionen, die hybrider Unterricht mit sich bringt, nicht nur ein Pandemie-Problem lösen können. Wir haben die Chance, neue Grundlagen für zeitgemäßes und effektives Lernen zu legen.

Ärmel hoch und Bildung revolutionieren!

Es fehlt Aufbruchsstimmung, es fehlt, dass in den Schulverwaltungen die Akten beiseitegelegt und die Ärmel hochgekrempelt werden. Und es fehlt an ernsthaften Überlegungen, wie die Schulen und die Kollegien vor Ort bei der Entwicklung des neuen Lernens unterstützt werden können. Und vor allem fehlt Ehrlichkeit darüber, was aktuell tatsächlich geleistet werden kann.

Die Erwartungen aller Beteiligten sind hoch. Aber es ist nicht geklärt, wie diese erfüllt werden können. Wir haben in Thüringen vielleicht drei Leute, die eine Schulcloud für alle Schulen im Land betreuen sollen. Das Netz ist instabil und der Server hält den Zugriff der vielen Klassen nicht aus. Seien wir ehrlich: So funktioniert es nicht.

Und wie soll es auch funktionieren? Wir haben in der Thüringer Schulverwaltung nicht ausreichend kompetentes Personal, flächendeckende IT-Infrastrukturen zu verwalten. Und wir haben auf Landesebene keine IT-Infrastruktur, die DSGVO-konform alle Schulen ins Digitale bringt. Verteilen wir die Verantwortung. Geben wir den Schulen den Freiraum, Dinge auszuprobieren und so viele Erfahrungen wie möglich für uns alle zu sammeln.

Statt eines Medienkonzeptes zur Beantragung von Mitteln muss es eine aussagekräftige Dokumentation geben. Schulen sollen sich Partner mit ins Boot holen können, die sie dann langfristig unterstützen. Gemeinsam sollen sie ausprobieren, wie digitale Schule funktionieren kann. Und dann sollen sie dokumentieren, was das Zeug hält, damit wir alle davon lernen können.